Gin-Herstellung > Worüber sich die Geister streiten I
In der neuen Artikelserie „Worüber sich die Geister streiten“ oder sich zumindest uneinig sind, werden die unterschiedlichen Ansichten der Destillateure unter die Lupe genommen. Ein Richtig oder Falsch scheint es nicht zu geben. Dies wiederum macht den begehrten Tropfen Gin so interessant und vielfältig. Zum Glück, denn dafür lieben wir ihn. Im ersten Teil geht es los mit dem Weg vom Mazerat zum Feindestillat bei der Herstellung.
Das Mazerat
Was genau ins Mazerat gelangt, wird in einer weiteren Folge berichtet. Heute geht es primär um das Destillationsverfahren an sich und das, was kurz zuvor geschieht. Am Anfang steht bei der Gin-Herstellung das Mazerat. Sprich, ein Gemisch aus Wacholderbeeren und weiteren Botanicals eingelegt in Neutralalkohol von mindestens 96% vol. Versetzt mit mehr oder weniger Wasser. Dies ist der Ausgangspunkt für die Aromatisierung des Alkohols. Bereits hier vertreten die Meister der Destillation unterschiedliche Ansichten. Die einen legen ihre Beeren, Früchte und Kräuter mehrere Tage ein, um so viel Aroma wie möglich zu erbeuten. In diesem Falle wurde vielleicht etwas mehr an Wasser zugesetzt. Den anderen wiederum genügen wenige Stunden, damit die Aromen nicht miteinander konkurrieren. Hier wiederum kann der Alkoholgehalt im Ethanol-Wassergemisch durchaus höher liegen.
Und dann gibt es noch die, die den Wecker stellen, um genau den richtigen Zeitpunkt für die Zugabe einer bestimmten Zutat abzupassen. Oder aber jedes Botanical wird einzeln für sich mazeriert und erst später vermengt – vor oder dann doch erst nach der Destillation? Um es noch komplizierter zu machen, gibt es nun auch Verfahren, mit denen man bereits im Vorfeld aus Samen oder Schalen Öle ziehen kann. Diese werden dann nur noch ins Mazerat geträufelt. Auch so kann das Aroma genau dossiert werden.
Nicht verwunderlich also, dass für die endgültige Gin-Rezeptur durchaus über 100 Testdestillate notwendig sind. Es genügt nicht, sich nur für Botanicals und deren Verhältnis zueinander zu entscheiden. Bereits wann und wie die Zutaten aufeinander treffen, machen jeden Gin besonders. Alleinige Voraussetzung zur Herstellung des Gins ist letztendlich nur, dass kein Gärvorgang stattgefunden hat.
Die Destillation
Nun endlich kann das Mazerat aus dem Plastik- oder Edelstahlbehälter in die Brennblase gegossen werden. Vielleicht trifft es dann erstmalig auf weitere Botanicals oder gar ein anderes Mazerat. Gerne hüllen sich die Hersteller hier in Schweigen. Alles preiszugeben, ist dann wohl doch zu viel verlangt. Bereits die Gin-Botanicals an sich bergen ja schon viele Geheimnisse. Unter ständigem Rühren wird das Gemisch nun erhitzt – mit Holz, über Gas oder gar elektrisch. Dabei trennt sich der aromatisierte Alkohol vom Rest und steigt als Dampf empor.
Stellt sich die Frage, ob es nun wirklich unterschiedliche Verfahren in der Gin-Destillation gibt. Ja, und wie es diese gibt. Hier tummeln sich Namen wie Pot-Still, Rektifikation und Perkolation. Erneut scheiden sich die Geister. Die einen bevorzugen die einfache Destillation (Pot-Still), für eine weitere muss das Destillat erneut den Kessel durchlaufen. Entscheidend für den höheren Alkoholgehalt und durchaus auch das Aroma. Bei der Rektifikation wird der Geist in einem Vorgang mehrfach destilliert. Übereinander gebaute Glockenböden mit kleinem Bullauge ermöglichen dies. In jedem einzelnen steigt der Alkoholgehalt erneut auf und die Geschmackskomposition wird weiter verfeinert. Sicherlich ist hier auch ausschlaggebend, welche Brennanlage zur Verfügung steht und welcher man sich bedienen muss, will oder kann.
Nun kommt noch die Sache mit dem sogenannten Geistkorb hinzu. Dieser wird mit ausgewählten Botanicals in den Geisthelm eingehängt. Der Dampf strömt über die Zutaten und entzieht ihnen ihre Geschmacksstoffe. Auch mit diesem Verfahren gelingt es, geschmackliche Schwerpunkte zu setzen. Gerne verwendet bei leicht flüchtigen Aromen und auch der seltenen Vakuumdestillation. Die einen Hersteller bezeichnen den Geistkorb als unnütz, die anderen schwören darauf. Wie soll der Gin-Genießer da noch durchblicken?
Zum Glück sind sich aber dann doch wieder alle bei der Säulendestillation einig. Diese hat eher was mit Quantität als mit Qualität zu tun. Weniger was mit Regionalität, Handarbeit und der Liebe zum Detail. Den Premiumcharakter nicht inklusive. Mitentscheidend ist letztendlich auch das Geschick des Destillateurs, der genau weiß, wann das Herzstück vom Rest zu trennen ist. Und genau das wollen wir: ein Feindestillat erster Güte und mit ausgezeichnetem Aroma für unseren Gin & Tonic.