Genever, der Vorläufer des Gins
Die Entwicklung von Genever, dem direkten Vorläufer des Gin, wird oft irrtümlicher Weise dem deutschen Arzt Franciscus Sylvius, geboren als Franz de le Boe, Mitte des 17.Jahrunderts angerechnet. Doch es war der niederländische Professor Sylvius de Bouve, der bereits im 16.Jahrhundert Alkohol mit Wachholderöl versetzte. Dieses Getränk, welches den Harndrang fördern sollte, taufte er Genever.
Den Namen Genever leitete de Bouve vermutlich vom französischen Wort für Wachholder “Genièvre„ ab.
Professor Sylvius de Bouve gründete 1575 die Leiden Universität, an der Franciscus Sylvius als Dr. Sylvius von 1658 bis 1672 tätig war. Dies mag der Grund für die häufige Verwechslung der beiden Wissenschaftler sein.
Aus “Medizin” wird Schnaps
1575 gründete Lucas Bols seine erste Brennerei in Amsterdam. Es wird vermutet, dass der Wachholderschnaps, den Bols dort produzierte, auf dem von Professor de Bouve entwickelten Rezept für Genever basierte.
Während Genever als Medizin zunehmend an Bedeutung verlor, erfreute sich der “Schnaps” Genever wachsender Beliebtheit.
Genever reist nach Großbritannien
Ende des 16.Jahrhunderts herrschte der sogenannte Holländisch-Spanische Krieg, welcher bis Mitte des 17.Jahrhunderts andauerte. Großbritannien verbündete sich mit den Niederlanden und entsandte Truppen zur Unterstützung.
Die britischen Soldaten fanden ebenfalls Gefallen an Genever und nahmen diesen mit in ihre Heimat.
Dort angelangt wurde der Name immer häufiger durch das kürzere Wort “Gin” ersetzt.
Gin als “Durstlöscher” in trockenen Zeiten
Ende des 17.Jahrhunderts erließ King William ein Importverbot für französische Waren.
Dies bedeutete, dass auch die von der britischen Bevölkerung geliebten französischen Spirituosen aus den Kneipen verschwanden.
Da es an Alternativen mangelte, erleichterte das britische Parlament 1690 mit dem “Distilling Act” die Herstellung von Gin. Dies sollte die Versorgung der Bevölkerung mit Spirituosen wieder gewährleisten.
Der Distilling Act erlaubte es fortan jedem, Getreide zu destillieren und kurbelte somit die Produktion von Gin gewaltig an.
1694 begünstigte ein weiteres Gesetz den Aufstieg des Gins. Der sogenannte “Tonnage Act” führte zur Verzollung von Bier und anderen Spirituosen. Dies ließ den Preis für Bier soweit steigen, dass es sich für die Bevölkerung lohnte auf Gin umzusteigen.
Gin, ein schnell wachsendes Problem
Im 18.Jahrhundert erreichte die Popularität des Gin ihren Höhepunkt im sogenannten “Gin Craze”, dem Gin Wahn. Gerade die ärmere Bevölkerungsschicht spülte mit günstigem Gin ihre Sorgen und Nöte weg. Das Resultat war Alkoholsucht, Gewaltverbrechen und eine Sterblichkeitsrate, welche die Anzahl der Neugeborenen übertraf.
Da Kinder von Gin süchtigen Frauen oft vernachlässigt wurden oder bereits alkoholsüchtig zur Welt kamen, bekam der Gin den traurigen, bis heuteNeue Gesetze müssen her
1729 entschied die britische Regierung entschieden gegen die Auswirkungen des Gins vorzugehen und erließ das Erste von acht Gesetzen. Diese sollten die Produktion und den Konsum von Gin stark einschränken.
Der letzte “Gin Act” von 1751 verpflichtete die Brauereien dazu, ihre Erzeugnisse nur noch an Händler und Gaststätten zu verkaufen, welche eine Lizenz erworben hatten. Zugleich förderte es die Strafverfolgung von illegalen Brennereien, die daraufhin zunehmend verschwanden.
Gin bis zur heutigen Zeit
Die Entwicklung des Gins ging weiter. So kam im 19.Jahrhundert der “Old Tom Gin” auf den Markt. Diesen versetzte man mit Zucker, wodurch er deutlich süßer wurde. Mit der Entwicklung der Säulendestillerie 1832 wurde erstmals reiner Alkohol destilliert und ermöglichte somit das Brennen des auch heute noch bekannten “London Dry Gin”. Heutzutage bildet der Gin den Grundstock für die beliebtesten Cocktails wie etwa dem Martini.
Nachdem Marken wie Bombay Sapphire oder auch Hendricks dem Gin zu neuer Popularität verholfen haben, ist die Auswahl an Gins deutlich gestiegen. Beide Marken haben ein Aroma entwickelt, das dem ursprünglich dominanten Wachholder neuer Perspektiven aufzeigt. Dadurch hat Gin wieder ab Popularität gewonnen. Durch die Entwicklung zahlreicher weiterer Gins mit völlig neuem Geschmacksfokus, wie dem Aviation Gin, ist eine neue Gin-Sorte hinzugekommen: der New Western Dry Gin. Bei diesen Gins ist der Wachholdergeschmack nicht mehr sehr dominant.
Noch mehr zur Geschichte des Gins
Wer noch tiefer in die Geschichte eintauchen will, dem sei die Serie auf Cocktails Old Fashioned wärmstens empfohlen. Wer die Lektüre als Buch oder ebook bevorzugt, dem sei „Gin: A Global History“ von Lesley Jacobs Solmonson ans Herz gelegt.