Als die Engländer nach dem Spanisch-Niederländischen Krieg Mitte des 17. Jahrhunderts den ihnen liebgewonnenen niederländischen Wacholderschnaps mit dem Namen Genever zurück mit in ihre Heimat nahmen, konnten die dortigen Brennereien diesen nicht in selbiger Qualität herstellen. Es war ihnen nicht möglich, die Komplexität des Genevers zu kopieren, der zu unterschiedlichen Teilen aus mit Wacholderbeeren aromatisierten Neutralalkohol und Malzwein besteht. Folglich entwickelten sie ihre eigenen Methoden und Stile bei der Herstellung von Wacholderschnaps, dem Gin.
Zucker zum Überdecken von Brennfehlern
Zunächst war Gin ein aus Korn gebrannter, sehr harter, kratziger und unsauberer Alkohol, der mit u.a. Wacholderölen sowie zusätzlich mit bspw. Zucker-, Rosen- oder Zitronenwasser vermengt wurde. Dies war nötig, um den schlechten Geschmack des schlecht gebrannten Alkohols zu kaschieren. In damaligen Zeiten ging es bei dem Konsum von Alkohol ohnehin um Trunkenheit, nicht um den Genuss. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die Alkoholherstellung zwar besser, dennoch wurden Brennfehler üblicherweise durch die Zugabe von Botanicals wie Zitrusfrüchte, Anis oder natürliche Süßstoffe wie Süßholz überdeckt. Außerdem wurde dem Gin nach dem Brennen Zuckersirup zugegeben, um den Geschmack harmonischer zu machen. Als Begriff für solche gesüßten Gins wurde Old Tom genutzt, der sich zu einem eigenen Gin-Stil etablierte.
Die Entstehung von Old Tom Gin fiel mit der Entwicklung der Cocktailkultur Ende des 18. Jahrhunderts zusammen, die durch Erfindungen und Entwicklungen wie dem karbonisierten Wasser, Kühlschränken und der kommerziellen Eisherstellung begünstigt wurde. Cocktails waren Mischgetränke, die aus Spirituosen, Zucker, Wasser und Cocktailbitter bestanden und im Shaker mit Eis oder im Glas auf Eis zubereitet wurden.
Der perfekte Begleiter für Cocktails
Der süßliche Old Tom Gin eignet sich wunderbar zum Mixen von Cocktails, da er die Mischgetränke süßlich-fruchtig abrundet und im Geschmack sehr homogen erscheinen lässt. Selbst als die Brennverfahren immer besser wurden und der entstehende Alkohol nicht mehr kaschiert werden hätte müssen, wurden auch solche Gins gesüßt, da es mittlerweile eine geschmackliche Präferenz der Konsumenten war. Die London Dry Gins, welche für ihre Trockenheit bekannt wurden, bewarben ihre Gins mit dem Zusatz „ungesüßt“, da es bis dato völlig normal war, Gins mit Zucker zu versetzen. Diese trockenen Gins lösten dann den Old Tom Gin im 19. Jahrhundert ab. In den 2000er Jahren kam es zu einem Old Tom Revival als viele Barkeeper auf historische Cocktailbücher zurückgriffen, in denen standardmäßig Old Tom Gins für Cocktailkreationen genutzt wurden. Dies führte dazu, dass Gin-Hersteller wie Hayman’s und Jensen’s Neuinterpretationen des Old Tom Stils auf den Markt brachten. Andere Hersteller folgten schnell.
Tasting Box von Gebrüder Gin zum Testen verschiedener Old Tom Gins.Wir haben für unsere Gin-Box im September 2016 drei Gins gesucht, die in Anlehnung an Old Tom Gins und die Tradition der Zugabe von Zucker bzw. Süßungsmitteln bei der Gin-Herstellung mit einer intensiven süßen Note überzeugen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie allerdings nicht durch zugesetzten Zucker, sondern durch natürliche Zutaten, die während des Brennvorgangs hinzukommen, gesüßt wurden. Wir sind diesen drei Gins regelrecht erlegen und haben deshalb unserer Gin-Box das Motto „Die süße Gin-Versuchung“ gegeben.
Die Gins in der Tasting Box
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#1: X-Gin
#1: Flüssige Wacholder-Schokolade – der X-Gin
Der X-Gin kommt aus Belgien und kombiniert den klassischen Wacholdergeschmack des Gins mit Noten von kolumbianischen Kakaokernen und Vanille aus Madagaskar. Schon beim Öffnen der Flasche strömt einem der angenehm süßliche Duft in die Nase. Weitere Zutaten des X-Gin sind Koriander, Kardamom, Angelika, Zitronenzesten, Ingwer, Süßholz, Iriswurzel, Rosmarin und Muskatnuss auch Paradieskörner, schwarzer Pfeffer, Kubebenpfeffer, jamaikanischer Pfeffer, Zimt, Mandeln und Haselnüsse.
Alle Botanicals werden schonend zermahlen und mit hochprozentigem (ca. 90 % vol.) Neutralalkohol angesetzt. Nach einer Mazerationszeit von 48 bis 72 Stunden werden die zermahlenen Botanicals herausgesiebt und in einem Leinenbeutel in der Brennblase platziert, damit der Alkoholdampf beim Brennen weitere Aromastoffe aufnehmen kann.
Die Brennblase fasst ca. 200 Liter. In ihr wird der mazerierte Alkohol zusammen mit Neutralalkohol auf einen Gin mit einer Stärke von 75 bis 80 % vol. gebrannt. Dieser wird anschließend mit Wasser auf die Trinkstärke von 46 % vol. heruntergesetzt.
In der Nase hat der X-Gin eine deutliche Schokoladennote. Sie wird umso stärker, je länger der Gin im Verkostungsglas atmen kann. Der X-Gin ist, trotz der Süße seiner Zutaten, aufgrund seines hohen Alkoholgehaltes ein kräftiger Gin, insbesondere bei der puren Verkostung. Zusammen mit dem richtigen Tonic Water entfaltet sich der schokoladige Geschmack erst richtig: Gepaart mit einem Fever-Tree Naturally Light schmeckt der G&T wie flüssige, aber kalte erfrischende Wacholderschokolade. Absoluter Wahnsinn! Abrunden kann man die Kombination mit Streuseln von Kakaobohnen, getrockneten Früchten, wie Mango, Himbeere oder Bananenchips, sowie mit Pfeffer oder Chili.
Wer bei der Originalflasche ganz genau hinschaut: Aufgrund seiner angeblichen aphrodisierenden Wirkung durch die Kakaobohnen ziert die Flasche ein Potpourri aus Stellungen aus der Kamasutra.
Der X-Gin wird in 500 ml Flaschen zu einem Preis von ca. 45 Euro verkauft.
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#2: Simon’s Next Level
#2: Karibische Rumsüße – der Feinbrennerei Simon´s Gin “next level”
In Anlehnung an einen Rum verkörpert der Feinbrennerei Simon´s Gin “next level” aus Bayern mit einem Alkoholgehalt von 46 % vol. das karibische Flair und die Süße des dortigen Rums. Dafür wird Wacholder mit Tahiti-Vanille, Tonka-Bohne, Piment und Lemon-Myrte abgerundet.
Seit fünf Generationen wird auf dem Hofgut Simon im Spessart gebrannt. Neben Obstbränden aus Obst von heimischen Streuobstwiesen brennt Brennmeister Severin Simon Whiskey, Vodka, Rum und Gin. Der erste Gin entstand bereits 2008. Im Jahr 2012 ergänzte der Brennmeister das Gin-Portfolio um den ‚next level“ Gin, der eine Hommage an den ersten Rum der Brennerei darstellen sollte.
Die Botanicals werden, soweit möglich, regional bezogen und dann unterschiedlich lange im Alkohol mazeriert bzw. erst beim Brennvorgang hinzugegeben. Der Gin entsteht auf der kleineren Destillieranlage der Brennerei. Die Destille wird übrigens mit Holz aus dem eigenen Wald befeuert.
Der „next level“ Gin der Feinbrennerei Simon ist fruchtig in der Nase sowie warm und cremig im Mund. In der Purverkostung ist er recht scharf, vermutlich durch Ingwer. Wir empfehlen ihn deshalb im Gin & Tonic oder in Cocktails, die auf Rum basieren, wie bspw. in einem Daiquiri.
Der Flaschenpreis liegt bei ca. 33 Euro für die 700ml Flasche.
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#3: Weisswange Old Tom Gin
#3: Zimtig-süßes Parfüm – der Weisswange Old Tom Gin
Der Weisswange Old Tom Gin aus Hamburg mit einem Alkoholgehalt von 45 % vol. greift den Old Tom Gin-Stil direkt im Namen auf. Statt nach der Destillation Zucker hinzuzugeben wird bei diesem Old Tom die Süße jedoch ausschließlich über die rein natürlichen Zutaten während des Brennvorgangs erzielt.
Botanicals wie Zimt, Holunder, Süßholz, Tonka, Vanille und Jiaogulan (eine Pflanzenart der Familie der Kürbisgewächse) bringen eine natürliche Süße mit. Eine fruchtige Frische erhält der Gin durch den Einsatz von Zitrusfrüchten wie Zitronen, Clementinen und Blutorangen.
Die Herstellerin, Kim Weisswange, ist Parfümeurin & Connaisseurin. Das wird bereits beim Öffnen der Flasche deutlich, wenn einem der intensiv fruchtig-süße Duft entgegenströmt. Der Gin ist sehr weich auf der Zunge, bringt dann aber auch eine gewisse würzige Schärfe, vermutlich durch den Zimt, mit. Sowohl Duft als auch Geschmack sind lang anhaltend.
Der Weisswange Old Tom ist in der Purverkostung sehr intensiv und auch im Gin & Tonic sehr dominant. Das könnte für Gin-Einsteiger fast zu anspruchsvoll sein. Ein wahrer Genuss ist er in klassischen Old Tom Gin Cocktails, wie bspw. dem Martinez. Hier gibt er den Cocktails durch seine Ausdrucksstärke eine eigene, würzig-süße Note, die sich dennoch harmonisch mit den anderen Zutaten vereint. Großartig, um einige Cocktailklassiker aufzupeppen.
Der Gin wird in einer 700ml Flasche zu einem Preis von ca. 49 Euro verkauft.
Drei Gins, eine Box: „Die süße Gin-Versuchung“ Gin-Box
Fazit: Früher wurde Gin gesüßt, um minderwertige Qualität zu verbergen. Im späten 18. Jh. kam gesüßter Gin auch zum Mixen in Mode. Die drei Gins unserer Gin-Box bestechen durch natürliche Süße von Süßholz, Zimt, Tonka, Vanille und Kakao. Eine echte Versuchung. Cheers!