Espuma ist was für Angeber. Für Leute die glauben, dass Suppe spannender wird, wenn man sie in Badeschaum verwandelt und in eine Schüssel sprüht, die man aus einem japanischen Kürbis geschnitzt hat. Espuma ist das spanische Wort für Schaumschlägerei. Wer damit so gar nichts anfangen kann: Espuma nennt man es, wenn man eine Flüssigkeit im Syphon mit N2O (Distickstoffmonoxid) aufschäumt mit der Absicht, das Ergebnis zu essen – oder eben zu trinken. Die Idee stammt aus der Molekularküche und genau da haben so viele Köche so viel unnötigen Blödsinn damit angestellt, dass jetzt keiner mehr so richtig Bock hat auf das Zeug. Leider. Denn damit kann man auch richtig coolen Blödsinn anstellen.
Cocktails mit Espuma – wieso und warum?
Mundgefühl ist das Zauberwort. Neben Geschmack, Geruch und Optik ist die Konsistenz wahrscheinlich die wichtigste Cocktaildimension. Sie ist der Grund, warum man ein Eiweiß in einen Silver Gin Fizz schüttet. Das Prinzip beim Einsatz von Espuma ist ähnlich: Wir statten unseren Drink mit einer Schaumkrone aus, die das Erlebnis Cocktail verändert. Während der Eiweiß-Schaum auf unserem Fizz aber im Wesentlichen genauso schmeckt wie der Rest des Drinks, bringt Espuma als Cocktail-Topping noch eine zusätzliche Geschmackskomponente mit.
Ein konkretes Beispiel: Gurken-Schaum auf einem Gin Tonic riecht massiv nach Gurke und sieht schick aus – bringt also genau das mit, was wir uns von einer Garnitur wünschen. Statt jetzt aber nur nach Gurke zu duften, bildet der Schaum ein grünlich schimmerndes Geschmackstor. Wir nehmen die Gurke und den Gin Tonic im Mund getrennt voneinander wahr und mixen die Komponenten dann erst im Mund zu dem, was wir schon lange kennen. Diese Kombination aus Vetrautheit und Abenteuer ist das, was ein Geschmacks-Erlebnis ausmacht. Apropos ausmacht: Wie macht man ihn jetzt eigentlich, diesen Espuma?
Espumas zu Hause herstellen
Wenn man Schaum-Garnituren in den eigenen vier Wänden zusammenmixen will, braucht man einen ganzen Haufen Zeugs, den man normalerweise nicht daheim hat:
- einen Sahnespender (keinen Soda-Syphon – falsche Kapseln)
- Xanthan (gibt’s im Netz) oder alternativ Eiweiß/Aquafaba
- einen Entsafter für Schaum aus Gemüse und Obst, das man nicht auspressen kann
Der Sahnesyphon macht unter Hochdruck das, was ihr eigentlich auch mit einem Schneebesen machen könntet: er schlägt Flüssigkeiten auf, indem er sie mit Gas anreichert. Theoretisch könnt ihr Espuma also auch mit dem Handmixer herstellen, genau wie Sahne. Dann habt ihr allerdings mehr Arbeit, mehr Sauerei und eine offene Schüssel voller Espuma, die ihr in den nächsten Stunden verbrauchen solltet.
Dagegen hält sich der Schaum im Sahnebereiter tagelang, bei gleichbleibender Qualität und ohne zu vergammeln. Nur in den Kühlschrank solltet ihr ihn legen. Um eine Flüssigkeit aufzuschäumen, muss sich daran eine Eiweiß-Komponente finden. Geschmacksneutral und vergleichsweise einfach zu benutzen ist dabei Xanthan: eine Art Zucker, der als Verdickungsmittel funktioniert und auch in Öko-Produkten eingesetzt wird, trotz des giftig klingenden Namens.
Zu kaufen gibt’s das pulvrige Zeug in Apotheken und bei Online-Händlern. Wer darauf trotz aller Unbedenklichkeit keine Lust hat, greift zu Eiweiß oder Aquafaba. Letzteres ist altes Dosenbohnenwasser. Kein Mist: die Flüssigkeit, die wir sonst in den Ausguss schütten, ist relativ geschmacksneutral, nur leicht salzig und lässt sich genau wie Eiweiß aufschlagen. Wer sich damit nicht auskennt, fragt einfach den Veganer seines Vertrauens. Bleibt die Frage: Aus was wollt ihr Espuma machen? Orangensaft oder Limettensaft sind noch relativ simpel, schließlich kann man diese Früchte einfach in der Elbow Press oder in der Zitronenpresse ausquetschen. Anders sieht die Sache aus bei Gurken oder Ananas – da kommt ihr ohne Zusatzgeräte nicht aus.
Gurken-Espuma für den Gin Tonic
Wer seinen Gin Tonic mit unserem vorhin erwähnten Gurken-Espuma garnieren will, braucht einen Entsafter. Alternativ funktioniert das Rezept aber auch mit den gleichen Mengen an Zitronen- oder Limettensaft. Da presst ihr dann allerdings eine kleine Weile. Abgesehen davon sind diese Espumas natürlich auch irre spannend, aber im Vergleich nicht ganz so massentauglich, weil zu säuerlich. Sonstige Zutaten:
- 25 cl Gurkensaft (entspricht einer großen Salatgurke, die kommt ungeschält in den Entsafter)
- 5 cl Zuckersirup
- 10 cl Zitronensaft (kann man sich bei der Zitrus-Variante natürlich sparen)
- 1 Messerspitze Xanthan (alternativ 1 Eiweiß/5cl Aquafaba)
Alles zusammen kurz einmal im Mixer oder mit dem Pürierstab aufschäumen, damit das Xanthan sich auflöst. In den Sahnesyphon füllen, mit einer Patrone N2O befüllen (bei doppelter Menge zwei) und nochmal eine halbe Stunde in den Kühlschrank stellen. Bevor ihr den Espuma in den G&T sprüht, testet erst einmal mit sanftem Druck auf den Gashebel in der Spüle, ob der Schaum auch die richtige Konsistenz hat. „Richtig“ bedeutet hier, dass sie euch persönlich zusagt. Manche mögen ihren Schaum fester, andere ihn eher flüssig. Doof: Hat der Espuma nicht die richtige Konsistenz, könnt ihr leider nicht nachjustieren, sondern nur neuen herstellen. Als kleine Tipps: Kommt die Suppe als Flüssigkeit raus, habt ihr zu wenig Xanthan/Eiweiß/Aquafaba benutzt. Kommt der Schaum stoßweise als Schlamm, war’s zu viel.
Experimente mit Espuma: Red Snapper
Mit der obigen Grundformel könnt ihr prinzipiell alles in Espuma verwandeln, ihr müsst nur den Saft durch anderen Saft ersetzen. Das ist jetzt die Stelle an der’s spannend wird: was kann man denn mit Espuma überhaupt so alles anstellen, wenn man erstmal alles wichtige dafür zu Hause hat? Unter unseren diversen Schaum-Experimenten hat uns eines besonders viel Spaß gemacht, weil es ein besonders nerviges Cocktail-Problem gelöst hat: Egal, welchen Gin man in einen Red Snapper schüttet, er schmeckt am Ende nach Bloody Mary mit Wacholder. Nicht, dass das schlecht wäre, aber da gibt’s wenig Spielraum, wenig zu erforschen. Genau da möchten wir ansetzen, probieren herum – und starten mit einem Misserfolg: Unser erster Espuma wird nur flüssig, weil wir glauben, dass der zähflüssige rote Saft schon von selbst eindickt. Tut er nicht.

Ist zu wenig Dickungsmittel im Schaum, kommt’s schnell zur Sauerei. Lecker war’s trotzdem.
Weil wir zu aufgeregt sind, um die Konsistenz testen, schießt die Tomatensuppe in den Gin und alles zusammen einmal quer durch den Raum. Das Experiment endet in einem leckeren, aber stinknormalen Red Snapper. Als die Schaum-Konsistenz passt, probieren wir viel damit herum, welche Zutaten in den Gin müssen und welche in den Tomatenespuma. Was dabei herauskommt, sieht streckenweise mindestens so eklig aus, wie’s schmeckt.
Am Ende funktioniert der Snapper am besten, wenn wir alle Zutaten außer Gin, sprich Tabasco, Worcestershire-Soße und Zitrone in den Schaum packen. So erschaffen wir eine schaumige, leckere, frische aber würzige Tomatensuppe – durch die hindurch wir puren, gekühlten Gin trinken. Nur an der Süße justieren wir noch etwas nach, ohne Zuckersirup ist der Tomatenschaum etwas fad.

Halb Tomatenschaum, halb Gin: So macht es endlich einen Unterschied, welcher Wacholder im Red Snapper steckt.
Das Ergebnis ist der Hammer: Wir schmecken Gin, wir schmecken Tomate und Schärfe und Würze und erst am Gaumen verbindet sich all das zum Red Snapper. Nebenbei sieht der klar geteilte Drink auch absurd gut aus.
Das Rezept für den Red Espuma Snapper:
- 25 cl Tomatensaft
- 5cl Zuckersirup
- 2 cl Zitronensaft
- 2 cl Worcestersauce
- 5 Spritzer Tabasco
- 1 Messerspitze Xanthan/2 Eiweiß/10cl Aquafaba
- 1 Prise Sellerie-Salz
Alles zusammen kurz aufmixen, in den Sahnesiphon damit, mit einer Kapsel befüllen und wieder für eine halbe Stunde in den Kühlschrank. Damit der Red Espuma Snapper Freude bringt, braucht ihr kurze Highballgläser, die ihr zur Hälfte mit Gin auf Eis füllt und zur Hälfte mit Tomaten-Espuma. Als Longdrink funktioniert der Drink eher schlecht, weil der Schaum sich mit Pech schon aufgelöst hat, bis ihr ausgetrunken habt. Wer die Extraportion Würzigkeit mag, garniert seinen Red Snapper mit gehacktem Schnittlauch.
Wieso ihr einen Sahnesyphon besitzen solltet!
Ein halbwegs brauchbarer Sahnesyphon kostet um die 30 Euro und taugt nicht nur dazu, Espumas und Sahne herzustellen: Darin lassen sich auch ganz wunderbar Sirups, Infusionen und sogar Cocktail Bitters mixen. Anders als bei klassischen Einlege-Methoden funktioniert das innerhalb weniger Stunden und teilweise sogar Minuten. Das macht es deutlich weniger zeitraubend, neue Rezepte auszuprobieren als mit der klassischen Ich-lass-das-mal-eine-Woche-gammeln-Methode. Ausführliche Rezepte und Ideen dazu findet ihr zum Beispiel im Buch „Liquid Intelligence“ von Dave Arnold.