Die englische Traditionsbrennerei Hayman’s forciert dieser Tage eine Kampagne mit dem Motto „Call Time on Fake Gin“. Eine Diskussion, die wir wichtig finden und deshalb einen Eindruck zu den Hintergründen geben möchten. Mit unserem Blog und den zahlreichen Gin-Tastings haben wir uns schließlich der Aufklärung zu gutem Gin verschrieben. Wir glauben, dass Genießen so mehr Spaß macht.
Hintergrund: Abgrenzung der unterschiedlichen Ginsorten
Was die offiziellen Ginsorten ausmacht wurde in der EU Spirituosenverordnung festgelegt. Und auch in den USA gibt es mit dem US Code of Federal Regulations (27CFR Part 5.22) Gesetze, die Kriterien für die Herstellung von Gin festlegen. Die wesentlichen Kriterien, die Gin ausmachen sind:
- Natürliche Inhaltsstoffe (vor allem Wacholder)
- Mindestalkoholgehalt
- Herstellung als destillierte Spirituose
Darüber hinaus haben sich inoffizielle Kategorien entwickelt, die sich zwar an diese Regeln zur Herstellung von Gin halten, aber neue Aromen oder Ideen in die Ginproduktion einbringen. Dazu gehören zum Beispiel „New Western Dry Gins“, bei denen die Wacholdernote nicht mehr im Vordergrund steht, oder der sogenannte Reserve Gin, der im Fass gelagert wird (Hintergrund: der Unterschied zwischen den einzelnen Ginsorten).
Wie sich Fake Gin einordnen lässt
Auch Fake Gins halten sich bei der Herstellung an die offiziellen Regeln zur Herstellung von Gin. Ansonsten dürften diese die Bezeichnung „Gin“ nicht führen. Und im aktuellen Wettbewerb ist die nächste Abmahnung nicht weit. Es gibt aber zwei Ansatzpunkte, die sich die Hersteller sogenannter „Fake Gins“ zu nutze machen:
(1) Herstellungsverfahren von Dry Gin
Dry Gin ist eine offizielle Gin-Kategorie, die man vor allem gut versteht, wenn man sie vom sogenannten London Dry Gin abgrenzt. Beim London Dry Gin müssen alle Zutaten, die sogenannten Botanicals, gleichzeitig destilliert werden.
Bei der Herstellung von Dry Gin können Aromastoffe im Nachgang hinzugegeben werden. So bringt man zusätzliche Aromen in den Gin, die in der Destillation verloren gehen würden. Oder man nutzt die Methode um Kosten bei der Herstellung zu reduzieren. Oder man schafft es einem Gin Farbe zu verleihen…
Alles das sind valide Gründe um einen Gin im Dry Gin-Verfahren herzustellen. Es handelt sich dabei nicht um minderwertige Qualität, sondern einfach um eine gängige Methode zur Herstellung.
Aber genau hier wird es spannend, es öffnet natürlich Tür und Tor, jedes erdenkliche Botanical in Nachhinein in den Gin zu geben und damit auf die Ginwelle aufzuspringen. Extreme Beispiele, die das schön zeigen: Auflistung der Botanicals im Gin.
(2) der deutlich erkennbare Geschmack von Wacholder
Diese Freiheit bei der Gin-Herstellung an sich ist eigentlich unproblematisch. Aber die Kombination mit einer „Lücke“ in der EU-Spirituosenverordnung macht den „Fake Gin“ aus.
In der EU-Spirituosenverordnung kann man nachlesen, dass Gin eine Spirituose mit erkennbarem Wacholdergeschmack ist. Ein dehnbarer Begriff. Und beim aktuellen Hype um Gin wird dieser Begriff kräftig gedehnt. Einige neuere Gins erinnern eher an aromatisierten Wodka, als an einen Gin.
Wo ist die Grenze bei „Fake Gin“?
Wo die Grenze beim Mindest-Wacholdergeschmack ist, lässt sich schwer exakt festlegen. Und wer soll das bitte verantworten? Vielmehr ist Gin eine komplexe Spirituose. Als solche lebt sie von der Experimentierfreude der Brenner. Immer neue Botanicals bereichern die Gin-Landschaft und machen Gin als Ganzes attraktiver, vielseitiger und interessanter. Man denke an Monkey 47, Hendrick’s Gin, oder die ganze New Western Dry Gin-Bewegung.
Der Wacholdergeschmack muss aus unserer Sicht nicht unbedingt dominant sein. Auch eine feine Wacholdernote im Abgang kann einen Gin ausmachen. Und ihn als solchen erkennbar machen.
Doch es gibt eben auch Gins, bei denen auch ein geübter Gaumen nicht einmal einen Hauch von Wacholder erkennen kann. Die „Time on Fake Gin“ stellt genau diese Frage:
Wenn man Gin geschmacklich nicht mehr als solchen erkennen kann, ist das dann noch Gin?
Wir bekommen zahlreiche Gins zum Verkosten. Und wir stellen uns diese Frage regelmäßig. Meine persönliche Meinung: es sind interessante Destillate dabei. Daraus lassen sich schöne Gin & Tonic-Twists machen. Genauso interessante Cocktailkreationen. Aber an Gin erinnert es manchmal tatsächlich „wenig“.
Na und?
Ein Gin ist meistens Geschmacksache. Geschmack ist etwas sehr persönliches. Daran ist kein Anstoß zu finden. Es gibt nicht den „besseren Geschmack“ oder den „schlechteren Geschmack“. Diese Wertung halten ich für unangebracht. Trotzdem gilt:
Wenn ich aber Gin kaufe, dann möchte ich auch, dass Gin in der Flasche drin ist. Dass ich ihn geschmacklich erkenne.
Genauso versuchen wir mit dem Blog Aufklärungsarbeit zu leisten. Eine Empfehlung über Flaschendesign und Etikett hinweg. Wir wollen wissen, was das Destillat ausmacht und wer dahinter steckt. Uns macht Genießen so mehr Spaß.
Deshalb unterstützen wir die „Call Time for Fake Gin“ von Hayman’s. Dass Gin, in seiner ganzen Vielfalt, aber auch mit der Abgrenzung zu anderen Spirituosen erkennbar und erhalten bleibt. Wer mehr zur Kampagne erfahren möchte, oder das Gin Manifesto unterzeichnen möchte, der findet hier alles Wissenswerte: https://www.haymansgin.com/journal
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