Die Geschichte des Gins: Von Genever bis zum modernen Gin-Boom
Gin gehört heute zu den beliebtesten Spirituosen weltweit – ob pur, als Gin Tonic oder in kreativen Cocktails. Doch seine Geschichte reicht weit zurück und beginnt mit Genever, dem niederländischen Vorläufer des Gins.
Die Ursprünge: Genever als Medizin
Häufig wird die Erfindung von Genever dem deutschen Arzt Franciscus Sylvius im 17. Jahrhundert zugeschrieben. Tatsächlich experimentierte jedoch bereits Professor Sylvius de Bouve im 16. Jahrhundert mit Wacholderöl und Alkohol, um ein Mittel zur Förderung des Harndrangs zu entwickeln. Er nannte es “Genever”, vermutlich abgeleitet vom französischen Wort für Wacholder: “Genièvre”.
1575 gründete Lucas Bols eine Destillerie in Amsterdam und begann mit der Produktion von Wacholderschnaps, basierend auf Genever. Während Genever als Medizin an Bedeutung verlor, stieg die Nachfrage nach dem aromatischen Schnaps rasant an.
Genever erobert Großbritannien
Ende des 16. Jahrhunderts verbündete sich Großbritannien mit den Niederlanden im Krieg gegen Spanien. Britische Soldaten kamen dort erstmals mit Genever in Kontakt und schätzten ihn als “Dutch Courage” (niederländischen Mut), bevor sie ihn in ihre Heimat brachten.
Dort wurde der Name nach und nach verkürzt – aus “Genever” wurde “Gin”.
Gin-Boom in Großbritannien: Vom Verbot zum Massenkonsum
Der Aufstieg des Gins
Ende des 17. Jahrhunderts verbot King William III. den Import französischer Waren, darunter beliebte Spirituosen wie Cognac. Um die heimische Alkoholproduktion zu fördern, erleichterte das britische Parlament mit dem “Distilling Act” (1690) die Herstellung von Gin. Jeder konnte nun Getreide destillieren, was die Produktion massiv ankurbelte.
Zusätzlich verteuerte der “Tonnage Act” (1694) Bier durch höhere Zölle, was Gin zur günstigeren Alternative machte. Dadurch erlebte die britische Bevölkerung einen regelrechten Gin-Boom.
Der Gin Craze: Ein soziales Problem
Im 18. Jahrhundert eskalierte der Konsum von Gin. Besonders ärmere Bevölkerungsschichten nutzten den günstigen Gin, um ihren harten Alltag zu vergessen. Dies führte zu exzessivem Alkoholismus, Gewalt und steigender Sterblichkeit – eine Krise, die als “Gin Craze” bekannt wurde.
Besonders dramatisch: Kinder wurden oft von alkoholkranken Müttern vernachlässigt oder bereits mit einer Abhängigkeit geboren. Dies brachte Gin den traurigen Beinamen “Mother’s Ruin” ein.
Die Gin Acts: Regierung greift ein
1729 begann die britische Regierung mit strikten Regulierungen gegen den Gin-Wahn. Insgesamt acht Gesetze wurden verabschiedet, um die Produktion und den Verkauf einzudämmen. Der letzte, der “Gin Act” von 1751, verbot den Verkauf von Gin an nicht lizenzierte Händler und führte strenge Strafen für illegale Destillerien ein. Dies bremste den exzessiven Gin-Konsum.
Die Evolution des Gins: Vom Old Tom zum London Dry Gin
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Gin weiter. Besonders zwei Meilensteine prägten seine Geschichte:
1. Old Tom Gin – ein süßerer Gin, der durch Zugabe von Zucker milder wurde.
2. London Dry Gin – entstand durch die Erfindung der Säulendestillation (1832). Diese ermöglichte erstmals die Herstellung von reinem Alkohol, wodurch der heute bekannte, trockene Gin-Stil entstand.
Der moderne Gin-Boom: Neue Geschmacksrichtungen & Trends
Lange Zeit galt Gin als altmodisch, doch Marken wie Bombay Sapphire oder Hendrick’s revolutionierten in den 1980er- und 90er-Jahren die Gin-Welt. Ihr Ansatz, neue Botanicals und Aromen in den Vordergrund zu stellen, brachte Gin zurück in die Bars und Cocktailszene.
Heute gibt es unzählige Gin-Sorten, darunter:
• London Dry Gin (klassischer Wacholdergeschmack)
• Old Tom Gin (milder, leicht süßlich)
• New Western Dry Gin (weniger Wacholder, mehr exotische Aromen wie Lavendel oder Zitrus)
Mit der wachsenden Craft-Gin-Bewegung experimentieren Destillerien weltweit mit neuen Zutaten, von regionalen Kräutern bis zu einzigartigen Fassreifungen.
Noch mehr über Gin erfahren?
Wer tiefer in die Geschichte eintauchen möchte, dem empfehlen wir:
📖 “Gin: A Global History” von Lesley Jacobs Solmonson
🎥 Dokumentationen & Serien, z. B. Cocktails Old Fashioned