Seit Jahren wächst die deutsche Gin-Produktlandschaft unaufhaltsam. Mittlerweile können weit mehr als einhundert deutsche Gins gekauft und getrunken werden. Im Trend liegt hierzulande nicht nur einheimischer Gin per se, sondern insbesondere Gin, der seine regionale Verbundenheit ausdrückt. Fast ein Viertel aller verfügbaren deutschen Gins greift mit einem Zusatz à la „Musterstadt Dry Gin“ das Thema Regionalität schon im Markennamen bzw. im Namenszusatz auf.
Unlängst mahnte Nils Wrage, Chefredakteur des Branchemagazins MIXOLOGY, in einem Aufruf an angehende Gin-Produzenten zu u. a. erhöhter Aufmerksamkeit bei der sprachlichen Identität ihrer Produkte und mehr Eigenständigkeit bei der Produktion. Ein „Schwarzwald Dry Gin“ (gemeint ist natürlich der Monkey 47) war um das Jahr 2010 noch eine ausgefallen Bezeichnung, heute aber gibt es viele Gins, die mit ähnlichen Claims werben und sich durch diesen alleine nicht mehr von der Konkurrenz abheben. Auch gibt es Produkte, die regionale Claims verwenden, aber gar nicht in der genannten Region hergestellt werden.
Dass Vertriebsstandort und Produktionsstandort nicht deckungsgleich sein müssen, das ist klar. Und Konsumenten wissen einzuordnen, dass nicht jeder Gin-Produzent seinen Gin auch wirklich selbst brennt. Oft wird nicht nur der Agraralkohol zur Gin-Herstellung eingekauft, sondern der Gin an sich durch eine Lohnbrennerei destilliert. So kann ein „Hamburger Gin“ genauso gut in einem anderen Bundesland herstellt worden sein. Ob einem als Kunden die lokale Herkunft im Sinne einer Herstellung vor Ort wichtig ist, muss wohl jeder für sich entscheiden.
Regionale Sehnsüchte im Gin
Andererseits suggeriert Nennung einer Stadt oder einer Region, dass mit dem Gin bestimmte regionale Sehnsüchte bei der überregional verteilten Kundschaft gestillt werden können. Schließlich lässt die Nennung der regionalen Herkunft auch geschmackliche Erwartungen entstehen, z. B. das der Gin eine besondere regionale Note geschmacklich transportiert oder für die Region typische Zutaten verwendet werden.
Sehr häufig geben Gin-Hersteller an, dass sie für das Herabsetzen auf Trinkstärke Wasser oder gar Quellwasser aus der Region nutzen. Einige Gin-Hersteller haben Rezepturen geschaffen, die einige Zutaten aus der jeweiligen Region verarbeiten. Manche Gins tun dies, ohne die jeweiligen Zutaten genauer zu spezifizieren. So wirbt der Gin Dobre mit einer „geheimen Zutat aus dem Spreewald“. Andere Gin-Marken werben offensiver mit regionstypischen Botanicals. So werden im Bavarka Gin bayrische Kartoffeln verarbeitet und der Granit Gin verwendet Bärwurz als Botanical.
Tasting Set: Lokalorite im Gin
Wiederum andere Gins gehen so weit, dass sie als Gin im Ganzen für eine bestimmte Region oder etwas regionaltypisches stehen. Sie brennen gewisser Maßen Lokalkolorit in Gin. Lokal… was? Lokalkolorit bezeichnet die besondere Atmosphäre einer Stadt oder Landschaft. Die drei Gins unserer im August 2016 mit dem Motto „Lokalkolorite in Gin gebrannt“ spiegeln gut das Lokalkolorit ihrer Stadt wider und konservieren die jeweils lokalen Eigenarten und unverwechselbaren, regional typischen Aromawelten im Gin. Der Waldmeister aus Berlin, die Frankfurter Grüne Soße oder Hopfen und Malz aus München. Drei lokale Eigenarten und unverwechselbare, regionaltypische Aromawelten, die in Gin konserviert wurden.
-
#1: Berliner Waldmeister und Holunder
#1: Berliner Waldmeister und Holunder – der Berliner Brandstifter Berlin Dry Gin
Der Berliner Brandstifter Berlin Dry Gin mit einem Alkoholgehalt von 43,3 % vol. ist das Produkt eines kleinen Spirituosenherstellers aus der deutschen Hauptstadt, der im Jahr 2009 vom gebürtigen Berliner Vincent Honrodt ins Leben gerufen wurde.
Zunächst war bei den Brandstiftern nur ein Korn im Programm. Der Gin folgte, als Vincent nach einer langen Clubnacht mit Freunden in der Berliner Morgensonne saß und über typische Berliner Kräuter, Aromen und Geschmäcker philosophierte. Es kam die Frage auf, wie man diese vereinen und konservieren könne. Die Antwort war der Berliner Brandstifter Gin, der den frischen Geist eines Berliner Sommers verkörpern soll. Nach eigenen Angaben benötigte das Finden der richtigen Rezeptur etwa ein Dreivierteljahr. So kann man seit 2013 den Berliner Brandstifter Berlin Dry Gin kaufen.
Gebrannt wird in der Brennerei der Familie Schilkin, die auf dem Gutshof Alt Kaulsdorf seit den 20er Jahren Spirituosen herstellt. Der Berliner Brandstifter Gin wird, wie der Kornbrand aus dem Hause Berliner Brandstifter, 7-fach destilliert. Seinen Charakter prägen typische Berliner Anklänge von Holunderblüten, Malvenblüten, frische Gurken und natürlich Waldmeister. Die Botanicals für den Berlin Dry Gin werden u.a. in Zusammenarbeit mit einem Berliner Landwirt regional angebaut und von Hand gepflückt und verarbeitet. Die von Natur begrenzte Erntemenge limitiert die Produktion auf wenige Editionen á 9.999 Flaschen im Jahr.
Die zunächst intensive, hochprozentige Alkoholnote wird schnell durch ein zitronenartiges Bukett überlagert, dass von einem Hauch Grapefruit begleitet wird. Dann steigt einem er Waldmeister in die Nase. Die Holunderblüten entfalten besonders beim Trinken ihre Wirkung. Je länger auf der Zunge liegend, desto weicher ist der Gin im Abgang. Insgesamt ist der Brandstifter ein schöner süßlicher und floraler Gin.
Der Berliner Brandstifter wird typischerweise in 700 ml Flaschen zu einem Preis von 36,50 Euro verkauft.
-
#2: Frankfurter Grüne Soße
#2: Frankfurter Grüne Soße – der Gin Sieben Frankfurt Dry Gin
In Anlehnung an ein Frankfurt Original verkörpert der Gin Sieben Frankfurt Dry Gin mit seinem Alkoholgehalt von 49 % vol. die Grüne Soße oder „Grie Soß“, wie der Frankfurter sagt, in einem Gin.
Gregor Haslinger, Inhaber eines Whisky Fachgeschäftes in Frankfurt, hatte die Idee zu diesem echten Frankfurt Dry Gin. Der Gin wird in der Brennerei Henrich gebrannt. Über die Mazeration wird die typische Kräutermischung der Frankfurter Grüne Soße auf den Alkohol übertragen. Sieben Kräuter machen die Grüne Soße aus: Boretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Die frisch geernteten Kräuter, die auch in Frankfurt wachsen, werden über mehrere Tage in Alkohol eingelegt und dann langsam destilliert sowie anschließend mit einem Wacholderdestillat vereint und mit lokalem Quellwasser auf Trinkstärke heruntergesetzt.
Wer das erste Mal einen Schluck von dem Gin Sieben nimmt, wird zunächst kaum an Gin denken, sondern meine, wahrlich die Grüne Soße auf der Zunge zu haben. Laut Hersteller sorgen Kerbel und Petersilie für das Kräuteraroma, Kresse und Sauerampfer bringen die Frische. Die Pimpinelle macht den Gin leicht nussig, während Boretsch den Geschmack mit einer floralen Note abrundet und der Schnittlauch dem Gin Sieben einen besonderen Charakter verleiht. Der Gin ist sehr intensiv im Aroma und leicht säuerlich am Gaumen.
Der Flaschenpreis liegt bei ca. 33 Euro für die 500ml Flasche.
-
#3: Hopfenblüten und Malz aus Bayern
#3: Hopfenblüten und Malz aus Bayern – der The Duke Munich Dry Gin
Der The Duke Munich Dry Gin mit einem Alkoholgehalt von 45 % vol. ist einer der bekanntesten, wenn nicht DER bekannteste Gin aus Bayern. Seit 2008 wird der kräftige und würzige Gin in einem Hinterhof im Herzen Münchens hergestellt. Neben sonst traditionellen Gin-Zutaten sorgen als Abrundung Hopfenblüten und Malz für den bayrischen Einschlag. Mit einer Widmung an Heinrich den Löwen trumpft er auch vom Namen her als ein echter Bayer auf.
Die THE DUKE Destillerie stellt neben dem Gin auch einen Vodka und einen Ingwerlikör her. Was den Gin angeht sind die zwei Gründer Daniel Schönecker und Maximilian Schauerte echte Pioniere: Sie haben den ersten, bayrischen Gin auf den Markt gebracht und waren mit ihrer Wahl der beiden Botanicals Hopfenblüten und Malz absolute Vorreiter beim Thema Regionsbezug. Noch dazu haben die beiden Jungs einen deutschen Gin zu einer Zeit kreiert, als der aktuelle Gin-Boom noch weit entfernt war!
Alle insgesamt 13 verarbeiteten Kräuter und Gewürze stammen aus rein biologischem Anbau. Neben der erwähnten bayrischen Note und Wacholder sind u.a. Koriander, Zitronenschalen, Angelikawurzel, Lavendelblüten, Ingwerwurzel, Orangenblüten und Kubebenpfeffer verarbeitet. Die Botanicals werden über Nacht mazeriert und anschließend in einer von Hand gefertigten kupferne Destille zweifach destilliert.
Der Duke Gin ist ein wirklich ausdrucksstarker Gin, der schon in der Nase mit einer sauberen Wacholder- und einer frischen Zitrusnote sehr würzig wahrnehmbar ist. Alkoholische Noten gibt es keine. Am Gaumen ist er würzig, sehr rund und fast überraschenderweise weich. Der Duke Gin fällt durch seinen langen Abgang sehr positiv auf.
Der Gin wird in einer 700ml Flasche zu einem Preis von ca. 28 Euro verkauft.
Drei Gins, eine Box: Die „Lokalkolorite in Gin gebrannt“ Gin-Box
Alle drei Gins spiegeln gut das Lokalkolorit ihrer Stadt wider und konservieren die jeweils lokalen Eigenarten und unverwechselbaren, regional typischen Aromawelten im Gin. Der Waldmeister aus Berlin, die Frankfurter Grüne Soße oder Hopfen und Malz aus München. Wenn man die Augen schließt beim Trinken, dann fühlt man sich fast wie vor Ort. Cheers!
P.S.: Welcher Germanist unter euch kann uns aufklären – gibt es eine Mehrzahl von Lokalkolorit oder hatten wir einen Gin zu viel bei der Themenfindung? Hinweise bitte per Mail oder Social Media.