Die klassischen Ginsorten wie London Dry, Dry Gin und Old Tom Gin haben Zuwachs bekommen. Die beiden Historiker Jared Brown (ebenfalls Master Distiller bei Sipsmith’s) und David T. Smith haben bei Ihrer Expedition in diverse Archive zur Cocktailkultur eine neue Ginsorte entdeckt. Der sogenannte „Cordial Gin“ bzw. „Fine Cordial Gin“ ist historisch im 19. Jahrhundert verankert.
Damit folgt er auf den Old Tom Gin. Etwas Kontext: die Brennkünste waren noch bescheiden, Gin hatte viele Fuselaromen und der Alkohol war von schlechter Qualität. Und diese Giftstoffe schmeckte man wohl deutlich. Also galt es die unangenehmen Aromen zu überlagern. Und zwar mit soviel Zucker, dass der Gin wieder schmeckte und gut angenommen wurde.
Jetzt wurden Aufzeichnungen gefunden die belegen dass zwischen Old Tom Gin und dem klassischen Dry Gin, wie wir ihn heute trinken, in der Entwicklung noch der Cordial Gin stand. Hier waren die Brennkünste schon fortgeschrittener und man musste nicht mehr süßen. Da der Genießer von damals aber an den süßlichen Geschmack eines Gins gewöhnt waren hat man an den süßlichen Noten aber festgehalten. Der Fine Cordial Gin wurde also ebenfalls nachgesüßt. Einfach gesagt eine Premiumversion des Old Tim Gins.
Was ist ein Cordial?
Am bekanntesten unter Ginfans dürfte wohl der Lime Cordial sein. Eine der drei Zutaten bei der Zubereitung eines Gimlet. Doch wofür steht der englische Begriff? Für einen Likör oder einen Sirup. Beim Sirup werden frische Früchte mit Zucker versetzt. Bei einem Likör wird das Obst in einen neutralen Alkohol (wie Korn oder Wodka) eingelegt und anschließend oder gleichzeitig mit Zucker versetzt. Bei einem Cordial Gin handelt es sich also um eine Art Gin-Likör.
Kann ein Likör ein Gin sein?
Der informierte Leser wird jetzt einwenden, dass Gin laut EU-Spirituosenverordnung einen Mindestalkoholgehalt von 37% aufweisen muss. Am Beispiel: Ferdinand’s musste seinen „Ferdinand’s Saar Quince Gin“ in „Saar Quice“ umbenennen, da der Alkoholgehalt mit 30%Vol. zu gering war. Ein Likör und kein Gin. Die beiden Cordial Gins, die wiederbelebt wurden, haben aber tatsächlich einen Alkoholgehalt von über 37% Vol. und dürfen so offiziell die Bezeichnung „Gin“ führen. Übrigens ist die Ginsorte „Sloe Gin“ eigentlich auch ein Likör, doch der Begriff ist von der EU offiziell geschützt und darf deshalb ebenfalls als Gin bezeichnet werden.
Die Wiedergeburt der Ginsorte von Hayman’s und Sipsmith’s
Wie beschrieben geht die Wiederentdeckung auf Jared Brown und David T. Smith zurück. Beide waren im Auftrag verschiedener Hersteller unterwegs. David T. Smith, unter anderem Betreiber des wundervollen Blogs „Summer Fruit Cup“ (englisch) hat die Archive im Auftrag der englischen Traditionsbrennerei „Hayman’s“ durchsucht. Jared Brown selbst ist Master Distiller bei Sipsmiths. Beide Firmen haben die historische Sorte aufgegriffen und in geringer Menge produziert. Ein Gin für Liebhaber, der gerne pur genossen werden kann, oder in besonderen Cocktailvariationen serviert werden darf. Für einen Gin & Tonic ist die Komposition eher ungeeignet.
Hayman’s Cordial Gin
Die englische Traditionsbrennerei Hayman’s hat seinen Cordial Gin in England und Deutschland in zwei limitierten Sondereditionen von 1.500 und 2.000 Flaschen herausgebracht. Wir durften die deutsche Version verkosten.
Die Auswahl der Botanicals im Gin zeigt ein süßliches Aroma, kombiniert mit vielen klassischen Gewürzen. Unter anderem wurden Koriandersamen, Wacholder, Muskatnuss, Zimt, Angelikawurzel, Schwertlilie, Kassiarinde, Orange und Zitronenschalen. Nach der Destillation wird der Gin gesüßt und noch 3 Monate in Eichenfässern gelagert.
Tasting Notes
Das Ergebnis ist ein herrlich weicher Gin, In der Nase vielschichtig. Die Wacholder erinnert an Pinie; Zitrone und Angelika bringen Vielseitigkeit mit. Dazu süßliche, kandierte Noten. Am Gaumen erinnert der Cordial Gin im ersten Moment an einen London Dry – klassische Aromen, bevor sich die Süße entfaltet. Der Abgang hält lange an. Die süßen Noten sind auch dabei nicht „zu übersehen“, aber sie unterstreichen die klassischen Noten. Eine schöne Harmonie. Die Lagerung im Eichenfasss ist nicht zu schmecken.
Sipsmith’s Fine Cordial Gin
Bei Sipsmith’s hat man den Gin in noch kleineren Mengen herausgebracht. Die Londoner betreiben die „Sipsmith Sipping Society“. Eine Art Ginabo, bei dem man einmal im Quartal die besten Experimente aus der Brennerei verkosten kann. Eine großartige und spannende Idee für Ginfanatiker, man liefert aber leider immer noch nicht nach Deutschland. Im Rahmen einer solchen Box wurde der Cordial Gin vorgestellt.
Zur Destillation des Sipsmith’s Fine Cordial Gin wurde besonders auf typisch britische Botanicals zurückgegriffen: unter anderem Lavendel, Kamille, Koriander und Mädesüß. Das Ergebnis ist ein sehr cremiger und floraler Gin.
Tasting Notes
In der Nase dominieren die Veilchennoten. Am Gaumen erkennt man Lavendel zusammen mit süßen Noten, die kandiert wirken. Im Abgang bleibt es floral, aber Kamille und Mädesüß spielen die Hauptrolle. Weich, komplex und vielseitig floral. Ein toller Gin für den Purgenuss.
Wie man Fine Cordial Gin am besten trinkt.
Die Ginsorte „Fine Cordial Gin“ ist selten und spielt vor allem mit floralen Noten. Wie trinkt man einen solchen Gin? Historisch korrekt wäre es die Flasche zu teilen und den Gin zusammen mit einem Dekanter mit stillen Wasser zu servieren. Der Gin wird dann im Glas im Verhältnis 1:1 mit Wasser gemischt. Sipsmith empfiehlt außerdem den Genuss im Beisein von Aristokraten. Wer keine mehr in seinem Freundeskreis hat, dem legen wir einen Martini ans Herz.