Gerade kommen wir aus England zurück. Pink Gin ist dort der Drink des Sommers. Eigentlich ein klassischer Cocktail, aus Gin und einem Dash Angostura Bitters, der der ganzen Sache Farbe verleiht. Die großen Gin-Marken wie Gordon’s und Beefeater deuten den Drink gerade um. Allerlei Beeren kommen nach der Destillation direkt in den Gin und geben diesem ebenfalls eine pinke Farbe. Geschmacklich ist das nicht immer ein Highlight, wie wir hier schon einmal getestet haben. Auch ein weiterer Artikel im Blog gibt Lust auf mehr: Hubba Bubba Gin.
Typische Anzahl an Botanicals
Doch wirft der Trend auch die Frage auf, wie viele unterschiedliche Aromen man eigentlich für einen guten Gin braucht – und wie weit das denn gehen muss. Anführen kann man sicherlich den Tanqueray London Dry Gin, der neben der Wacholder mit nur 3 weiteren Gewürzen auskommt. Das Ergebnis ist ein runder, klassischer Gins, der vor allem in Cocktails häufig die erste Wahl ist.
Am anderen Ende der Skala findet man Gins, wie den Monkey 47 Schwarzwald Dry Gin, der 47 unterschiedliche Botanicals in sich vereint. Generell sagt man, dass geübte Gaumen bis zu 14 unterschiedliche Aromen im Monkey erkennen können. Alle anderen dienen zur Balance der Spirituose.
Typisch im Gins sind etwa 7 – 9 unterschiedliche Gewürze, die alle eine unterschiedliche Rolle spielen, wie wir in diesem Gin-Lexikon-Artikel zu Botanicals zusammengefasst haben. Und doch erkennt man zwei Trends: immer mehr Botanicals und immer neue Botanicals.
Gegen den Trend: 1 Botanical statt 1.000
Enden vieler dieser Experimente in Spirituosen, die man kaum noch Gin nennen kann (vgl. unseren Artikel zur Fake Gin-Kampagne), sind uns in letzter Zeit gleich zwei Gins begegnet, die sehr gezielt einen anderen Weg gehen: Monokel Gin und der r(h)ein Gin kommen mit Wacholder als einzigem Gewürz in der Herstellung des Gins aus. Das ist spannend – das haben wir probiert.
Moor Gin
Der Gin ist nach einem Moorgebiet in der Nähe von Kolbermoor (Nachbarstadt von Rosenheim) benannt. Dort wächst eine wilde Wacholdersorte, die man für den Moor Gin verwendet. Das einzige Botanical wird in Handarbeit in einer Kupferbrennblase aus dem Jahr 1949 gebrannt. In eine Apothekerflasche mit 42,5% Vol. gefüllt, verlangt man dafür ca. 35,- €.
Tasting Notes
Ein spannender erster Eindruck. Es strömen einem schon am Gaumen Zitrusaromen entgegen, so dass man kaum glaubt, dass Wacholder die einzige Zutat ist. Einen typischen Wacholdergeschmack erkennt man kaum. Was auf der Strecke bleibt ist die Vielschichtigkeit, die einen besonderen Gin ausmacht.
Moor Gin als Gin & Tonic
Im Gin & Tonic probieren wir den Moor Gin zusammen mit einem Indian Tonic Water von Fever Tree und einen mit Thomas Henry. Die Zitrusnoten spielen die Hauptrolle. Er ist einfach zu trinken, aber es fehlt die geschmackliche Vielfalt eines guten Gin & Tonics.
Gesamteindruck
Der Moor Gin überrascht durch die deutlichen Zitrusnoten. Er zeigt schön, wie vielschichtig Wacholder sein kann. Das macht ihn zu einem Gin für Liebhaber, die genau das wissen wollen. Für alle anderen lohnen sich die 35,- € für einen halben Liter nur bedingt. Es fehlt die Tiefe, die man mit nur einem Botanical kaum hinbekommen kann. Und genau das ist es doch, was Gin als Spirituose spannend macht.
R(h)ein Gin
Zu Beginn darf man zugeben, dass das Wortspiel gefällt. Der „reine Gin“, der nur mit Wacholder auskommt und die Stadt Düsseldorf am Rhein, wo der Gin gebrannt wird. Das spiegelt sich auch im schönen Flaschendesign wieder: man findet auf der Flasche die Koordinaten des Düsseldorfer Schlossturms.
Der (r)hein Gin entsteht aus einem neutralen Alkohol und der Kombination unterschiedlicher Wacholdersorten. Gebrannt wird im Auftrag in einer alten Familienbrennerei. Selten, dass das mal einer zugibt.
Tasting Notes
Die Wacholdernoten sind unverkennbar – man erkennt direkt die leicht öligen Noten eines natürlichen Wacholdergeschmacks. Das überzeugt im ersten Moment, ist aber einen Hauch zu deutlich. Für ca. 39,-€ den halben Liter fehlt es dem Gin dann doch an Balance.
R(h)ein Gin als Gin & Tonic
Auch hier 2 Varianten mit klassischem Indian Tonic Water: die Wacholder kommt deutlich hervor, das gefällt Freunden eines klassischen Gin & Tonics. Aber die Wacholdernote ist einen Hauch zu deutlich für einen Gin & Tonic. Es fehlt an Komplexität.
Gesamteindruck
Die Kombination aus verschiedenen Wacholderbeeren ist spannend. Aber die öligen Noten der Wacholder sind etwas zu viel. Die meisten Hersteller nutzen genau deshalb Koriander als wichtige Zutat. Durch die Kombination der beiden Botanicals entsteht eine rundere Spirituose.
Auch den r(h)ein Gin würden wir als Liebhaber-Produkt empfehlen. Er begleitet einen auf der Reise zu den Grundaromen eines Gins. Aber Balance und Komplexität fehlen aus unserer Sicht für einen geneigten Gin & Tonic-Trinker.
Fazit: 1 Botanical scheint nicht genug
Beide Produkte sind interessant. Und wir freuen uns, dass einige Brenner gezielt einen anderen Weg gehen. Doch eine Zutat scheint nicht auszureichen, um einen richtig interessanten Gin herzustellen, den man preislich jenseits der 35,- € ansiedeln kann. Es fehlt Vielseitigkeit, Komplexität und eine interessante Geschmacksentwicklung.
Trotzdem legen wir beide Gin-Liebhabern ans Herz, die verschiedene Wacholdernoten kennen lernen wollen. Eine solche Reise könnte man geschmacklich auch mit Steinhäger und anderen Wacholderschnäpsen fortsetzen, die wir hier vorstellen.